Wie, Mozart? Wie Mozart!

Mozarts „Entführung aus dem Serail“ durfte ich noch kurz vor dem November-Lockdown in Lindau spielen – in einer Kooperation zwischen der Lindauer Marionettenoper und dem Concerto Stella Matutina. Die Marionettenoper und das Cocerto Stella Matutina feierten damit gleichzeitig zwei Jubiläen: das 20-jährige Bestehen der Oper und 15-Jahre Stella.

Der Stern leuchtet übrigens im neuen Jahr weiter und Stella beginnt im März 2021 die neue ABO-Reihe in meiner alten Heimat Götzis im Vorarlberg mit dem Programm Wie, Mozart? Wie Mozart! 

Stimmiges Gesamtkunstwerk

„Eine absolute Sternstunde war die Premiere der Jubiläumsaufführung von Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ im Stadttheater Lindau. Fünfzehn Jahre Concerto Matutina und zwanzig Jahre Lindauer Marionettenoper haben zum glücklichen Zusammenwirken des Orchesters, der Marionettenoper und einem herausragenden Sängerensemble geführt und ein Gesamtkunstwerk entstehen lassen, das in dieser Form einmalig war.

Wie Bernhard Leismüller zu Beginn erzählte, hat er seine Marionettenoper mit Mozarts „Entführung aus dem Serail“ eröffnet. Dieselbe Oper sollte es im Jubiläumsjahr wieder sein, aber diesmal sollte sich sein Traum erfüllen, dass die Musik live gespielt und gesungen wird. Auch Thomas Platzgummer wollte ein besonderes Jubiläumskonzert für das Concerto Stella Matutina, so entstand diese außergewöhnliche Produktion, die am Freitag und Samstag noch in Götzis zu sehen sein wird. Die Plätze im Orchestergraben waren genau abgemessen, auf der Bühne standen links und rechts die in festliches Schwarz gekleideten Solisten, dazwischen, auf erhöhtem Podest die bezaubernde, lichte Guckkastenbühne für die Marionetten und als Besonderheit durfte man auf der Ebene darüber im Halbdunkel auch die Puppenspieler sehen, wie sie ihren opulent gekleideten Figuren Leben einhauchten. Fühlte man sich am Anfang fast überfordert, weil man alles gleichzeitig verfolgen wollte, war man rasch so intensiv in das Spiel hineingezogen, dass man gebannt schaute und lauschte.

Bezauberndes Zusammenspiel

Mit schlankem Klang kam die Ouvertüre aus dem Graben, ehe auf der Bühne Belmonte erschien und der Tenor Daniel Johannsen aufstand und ihm seine wunderbar lyrische Stimme lieh. Faszinierend war zu verfolgen, wie stimmig die Marionette sich zur Gesangsstimme bewegte, wie sie mit kleinen Gesten und Bewegungen die Emotionen, die Sehnsucht Belmontes unterstrich. Bernhard Leismüller hat das Spiel seiner Marionetten feinsinnig choreografiert, zugleich haben die Sänger ihre Arien mit lebhafter Mimik begleitet – ein bezauberndes Zusammenspiel. Köstlich das Zusammentreffen Belmontes mit dem aufgeblasenen Osmin, dem der Feldkircher Martin Summer seinen prächtigen Bass lieh. Osmin-Sänger und Marionette ließen stets von Neuem schmunzeln, wie er hüpfte, sich aufplusterte und tobte, wie er genüsslich dem Wein zusprach. Klar, dass er mit der putzmunteren Blonde völlig überfordert war, die die syrische Sopranistin Theodora Raftis vortrefflich in Szene setzte. Da wird ihr kecker Pedrillo noch tüchtig zu nagen haben, in bester Laune von Michael Feyfar gesungen. Bleibt die edle, liebende Konstanze, von Gloria Rehm bald mit inniger Wärme, bald hochdramatisch gesungen. So stimmig war das Sängerensemble, dass es als das Selbstverständlichste erschien, sich in kunstvollen Koloraturen auszudrücken. Warmherzig war Hubert Dragaschnigs Bassa Selim, eine starke Persönlichkeit, der man den edelmütigen Schluss abnimmt.

Mit Elan

Dass hier lebendige Spieler neben den Marionetten agieren, hat Leismüller kreativ und berührend in seine Choreografie integriert. Denn irgendwann beginnt die Interaktion. Sehnsüchtig blickt im Hintergrund Konstanze aufs Meer, während ihre lebendige Stimme am Bühnenrand sitzt, langsam kommt ihr zweites Ich näher, sie schauen einander an, schmiegen sich aneinander. Witzig, wenn Blonde ihrem Alter Ego auf den Arm hüpft, wenn – ja, lassen Sie sich überraschen. Bleibt anzumerken, dass nicht nur die Gesangsstimmen hervorragend harmonieren, sondern auch die gesprochenen Dialoge keine Wünsche offenlassen. Und über allem schwebt Mozarts Musik, vom Orchester mit leichter Hand interpretiert. Ein Schauspiel für sich ist, mit welchem Elan Thomas Platzgummer seine Musiker am Ende zum glänzenden Finale treibt. Kurzum ,ein seltenes Gesamtkunstwerk.“

Quelle: Vorarlberger Nachrichten vom 30.10.2020, Seite D4